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06.01.1944

Leitartikel Streichers im "Stürmer"

"Nach der nationalsozialistischen Erhebung in Deutschland hat sich auch in Europa eine Entwicklung eingeleitet, von der erwartet werden kann, daß sie diesen Kontinent vom jüdischen Volkszersetzer und Ausbeuter für immer freimachen wird, und daß darüber hinaus das deutsche Vorbild nach einem siegreichen Abschluß des zweiten Weltkrieges auch auf den anderen Kontinenten die Vernichtung des jüdischen Weltpeinigers bringen wird. Daß es einmal zu einer internationalen Regelung der Judenfrage zwangsläufig kommt, das hat der Führer des deutschen Volkes in einer seiner großen Reden der Weltöffentlichkeit prophezeit." (IMT, M-150)

Wagner, Auswärtiges Amt, an Himmler

Großbritannien hatte 1943 durch Vermittlung der Schweiz das Angebot gemacht, 5.000 jüdische Kinder aus dem deutschen Machtbereich nach Palästina einwandern zu lassen. (s. 21.7.43) - Die deutsche Reaktion war zunächst offengehalten worden. Außenminister Ribbentrop habe jetzt entschieden, dem Schweizer Gesandten Feldscher mündlich folgende Antwort zu geben:

"Obwohl die Anfrage der britischen Regierung (...) nicht erkennen läßt, zu welchen Gegenleistungen man britischerseits bereit wäre, ist die Reichsregierung nicht abgeneigt, den englischen Wunsch im positiven Sinne zu erwägen und in entsprechende Verhandlungen einzutreten."
Mit Rücksicht auf die arabische Bevölkerung Palästinas werde Deutschland aber nur in Verhandlungen eintreten, sofern die britische Regierung die endgültige Niederlassung dieser 5.000 Menschen in Großbritannien garantiert. (ADAP, Serie E, Bd. VII, Nr. 162)

08.01.1944

Slowakien

RSHA-Chef Kaltenbrunner an das Auswärtige Amt.

Der vorübergehend in Griechenland eingesetzte Eichmann-Mitarbeiter Wisliceny wird seine Tätigkeit als Berater für Judenfragen bei der deutschen Gesandtschaft in Bratislawa wieder aufnehmen. Er hat den Auftrag, beim slowakischen Innenminister Mach auf Wiederaufnahme der Deportationen zu drängen. Erst wenn das Ergebnis dieser Besprechung vorliegt, soll der Wunsch der slowakischen Regierung, ein Konzentrationslager besichtigen zu können, "geprüft" werden.  (ADAP, Serie E, Bd. VII Nr. 163)

11.01.1944

Niederlande

Aus dem Lager Westerbork geht ein Transport mit 1.037 jüdischen Menschen nach Bergen-Belsen ab. Sie sollen für eventuelle Austausch-Aktionen (gegen internierte Deutsche) und auch als politische Geiseln bereitgehalten werden.

12.01.1944

Auschwitz

Aus dem KL Stutthof werden annähernd 1.000 jüdische Häftlinge nach Auschwitz eingeliefert. Nach der "Selektion" werden 134 Frauen und 120 Männer als Häftlinge registriert; die anderen 746 Menschen werden in den Gaskammern getötet. (Czech, S. 705)

Erlaß Himmlers

Juden erhalten keine Kontrollkarten für den Briefverkehr mit dem Ausland. Ohne solche Karten werden Briefe nach dem Ausland nicht befördert. (Walk, S. 402)

Ungarn/Frankreich

Das deutsche Auswärtige Amt lehnt in einer Note an die ungarische Botschaft in Berlin "aus Sicherheitsgründen" die Forderung ab, alle Juden ungarischer Staatsangehörigkeit aus dem neu besetzten Teil Frankreichs ausreisen zu lassen. Das AA bietet jedoch an, die Papiere internierter ungarischer Juden durch die deutsche Botschaft in Frankreich prüfen zu lassen, um ihnen unter Umständen die Ausreise zu gestatten. (Braham, Destruction I, Nr. 36)

13.01.1944

Ostoberschlesien/Auschwitz

Ein Transport mit ungefähr 2.000 Juden aus Bedzin/Bendsburg und Sosnowiec kommt in Auschwitz an. 221 Männer und 136 Frauen werden in das Lager eingewiesen;  die anderen etwa 1.640 Menschen werden in den Gaskammern getötet. (Czech, S. 705)

14.01.1944

Generalgouvernement

Ansprache Franks vor den Politischen Leitern und Mitarbeitern der Distrikstandortführung Krakau.

"Wenn wir den Krieg einmal gewonnen haben, dann kann meinetwegen aus den Polen und aus den Ukrainern und dem, was sich hier herumtreibt, Hackfleisch gemacht werden, es kann gemacht werden, was will. Aber in diesem Augenblick kommt es nur darauf an, ob es gelingt, fast 15 Millionen eines gegen uns sich organisierenden feindlichen Volkstums in Ruhe, Ordnung, Arbeit und Disziplin zu halten. Wenn es nicht gelingt, dann kann ich vielleicht triumphierend sagen: Ich habe 2 Millionen Polaken umgebracht. Ob dann aber die Züge an die Ostfront fahren, ob die Monopolbetriebe arbeiten, die jeden Monat 500.000 Liter Wodka und so und so viele Millionen Zigaretten liefern, ob die Ernährung und Landwirtschaft gesichert wird, von der wir allein 450.000 t Getreide ans Reich geliefert haben, das steht auf einem anderen Blatt. (...)

Wenn ich den Polen etwas zu essen gebe, wenn ich ihnen ihre Kirchen belasse, ihnen Schulen gebe, dann tue ich das nicht als Polenfreund, sondern als verantwortlicher Politiker dieses Raumes." (Präg, S. 772)

15.01.1944

Richtlinie des Reichsjustizministers zum Reichsjugendgerichtsgesetz

Auf jüdische Jugendliche sind Vorschriften des Strafrechts, die mildere Strafen vorsehen, nicht anzuwenden. Sie sind gemäß der 13. VO zum Reichsbürgergesetz vom 1.7.43 der Gestapo zur weiteren Behandlung zu übergeben. (Walk, S. 402)

Mitte Januar 1944

USA

Präsident Roosevelt läßt das War Refugee Board zur Koordinierung der Flüchtlingshilfe gründen.

Alle Regierungsorgane sollten das WRB unterstützen, insbesondere das Außen-, das Finanz- und das Kriegsministerium. Tatsächlich zeigte sich in der Praxis aber nur das Finanzministerium kooperativ, während das Außenministerium der Arbeit des WRB oft Hindernisse in der Weg legte. Außerdem war das WRB nur mit sehr geringen staatlichen Mittel ausgestattet und wurde überwiegend durch private Spenden jüdischen Organisationen und Unternehmer unterhalten.

Trotz dieser Schwierigkeiten versuchte das WRB, ein breites Rettungsprogramm zu organisieren. Im wesentlichen stellte es sich folgende Aufgaben:

  1. die Evakuierung von Juden und anderen bedrohten Menschen aus dem deutschen Machtbereich;
  2. die Suche nach geeigneten Orten, an denen sie untergebracht werden konnten;
  3. psychologische Maßnahmen (vor allem Androhung von Kriegsverbrecherprozessen);
  4. Hilfslieferungen in Konzentrationslager.

Insgesamt konnten durch Initiative und Unterstützung des WRB etwa 15.000 Menschen aus dem deutschen Machtbereich gerettet werden. Bei der Evakuierung von 48.000 Juden aus Transnistrien in sichere Gebiete Rumäniens spielte der diplomatische Druck des WRB eine wichtige Rolle. (EdH, S. 1520f)

17.01.1944

Belgien/Auschwitz

Ankunft eines Deportationszugs mit 657  Menschen aus dem belgischen Lager Malines in Auschwitz. 140 Männer und 98 Frauen werden als Häftlinge übernommen, während die anderen 419 Menschen direkt in die Gaskammer geschickt werden.

Mit dem selben Transport kommen aus Malines auch 351 Zigeuner verschiedener Staatsangehörigkeit, darunter 174 Kinder, an. Sie werden in das Lager eingewiesen. (Czech, S. 707-708)

18.01.1944

Niederlande

Ein Zug mit 870 jüdischen Menschen aus dem Lager Westerbork geht nach Theresienstadt ab. Es handelt sich um 385 Personen, die sich nach deutscher Ansicht "um den Aufbau und den Lagerbetrieb von Westerbork verdient gemacht haben, nebst ihren Angehörigen" (u.a. zahlreiche Mitarbeiter des Judenrats); 140 "Eltern von Personen, die sich um die Entjudung der Niederlande und das Lager Westerbork verdient gemacht haben"; 13 deutsch-jüdische Veteranen des 1. Weltkriegs mit Angehörigen; 53 "Juden mit Verdiensten um das Reich nebst ihren Angehörigen"; 58 Kinder, deren Eltern sich schon in Theresienstadt befinden. (Benz, Dimension, S. 157)

19.01.1944

Ungarn

Notiz von Hewel für Außenminister Ribbentrop.

In Ungarn waren die für das Massaker an jüdischen Menschen in Nordjugoslawien (Januar 1942) verantwortlichen ungarischen Offiziere vor Gericht gestellt und verurteilt worden. Sie flüchteten daraufhin nach Deutschland und bekamen dort Asyl.

Hitler hat Anweisung gegeben, den Ungarn, falls sie dieses Thema ansprechen sollten, etwa folgendes zu antworten: "Wir könnten den Behauptungen von der Hinmordung von Tausenden von Frauen und Kindern keinen Glauben schenken, da wir die Honveds (die ungarischen Armeeangehörigen) kennten, die solche Grausamkeiten nicht machen würden. Es handelt sich hier um eine typische Judenmache und jüdische Aufbauschung des Geschehenen.

Im übrigen müsse jeder in Europa zur Kenntnis nehmen, daß Deutschland jedem, der wegen Judenverfolgung beschuldigt Zuflucht sucht, das Asylrecht gewähren wird. Ein jeder, der gegen die jüdische Pest in Europa kämpft, stünde auf unserer Seite. Außerdem hätten wir auch rumänische politische Flüchtlinge (Angehörige der faschistischen Eisernen Garde) bei uns, obgleich wir mit den Rumänen verbündet seien." (Braham, Destruction I, Nr. 64)

20.01.1944

Auschwitz

In den Lagern von Auschwitz sind insgesamt annähernd 81.000 Gefangene untergebracht, davon 27.000 Frauen. Diese Zahl enthält nur die offiziell registrierten Häftlinge. (Czech, S. 711)

22.01.1944

Frankreich/Auschwitz

Aus Drancy kommt ein Zug mit 1.115 jüdischen Menschen in Auschwitz an. 55 Frauen und 236 Männer werden in das Lager eingewiesen; die anderen 864 Menschen werden in den Gaskammern getötet.

Nach "Selektionen" werden über 760 kranke Häftlinge in den Gaskammern getötet. (Czech, S. 712-713)

27.01.1944

Niederlande/Auschwitz

Aus Westerbork werden 948 jüdische Menschen, darunter 122 Kinder, nach Auschwitz eingeliefert. 190 Männer und 69 Frauen werden als Häftlinge übernommen; die anderen 689 Menschen werden in den Gaskammern ermordet. (Czech, S. 715)

Fernschreiben des RSHA

Alle Juden argentinischer Staatsangehörigkeit sollen umgehend im KL Bergen-Belsen interniert werden; ihr Vermögen soll "sichergestellt" werden. (Walk, S. 402)

Das Auswärtige Amt an die Dienststelle Athen des Sonderbevollmächtigten des AA für den Südosten.

Zur Aufforderung, ihre jüdischen Staatsangehörigen aus dem deutschen Machtbereich zurückzuholen oder sie zur Deportation freizugeben, haben die angesprochenen Länder wie folgt Stellung genommen:

  1. "Die schwedische Regierung hat gebeten, die in Betracht kommenden schwedischen Juden unverzüglich nach Schweden abzuschieben.
  2. Die finnische Regierung hat mitgeteilt, daß Juden finnischer Staatsangehörigkeit in Griechenland oder Italien nicht ermittelt worden seien. Sollte wider Erwarten ein finnischer Jude in diesen Gebieten festgestellt werden, bittet die finnische Regierung um seine sofortige Heimschaffung.
  3. Die rumänische Regierung hat um direkte Abschiebung nach Rumänien gebeten.
  4. Die schweizerische Regierung hat sich zu sofortiger Übernahme von Schweizerbürgern bereit erklärt, jedoch gebeten, dafür Sorge zu tragen, daß die Betreffenden die Möglichkeit erhalten, ihre gesamte Habe mitzunehmen.
  5. Die portugiesische Regierung hat gebeten, zunächst die Ausweispapiere der in Betracht kommenden angeblich portugiesischen Staatsangehörigen der portugiesischen Gesandtschaft in Berlin vorzulegen, damit diese die für notwendig gehaltenen Maßnahmen treffen kann.
  6. Die ungarische Regierung hat mitgeteilt, daß Juden, deren Pässe nach dem 1. Dezember 1939 ausgestellt seien, ohne weiteres nach Ungarn heimgeschafft werden könnten."
    Vor diesem Datum ausgestellte Papiere müßten erst überprüft werden.
  7. Eine abschließende Stellungnahme der türkischen Regierung steht noch aus. (...)
  8. Spanien hat sich zur Übernahme der spanischen Juden bereit erklärt und um sofortige Abschiebung gebeten.
  9. Die hiesige argentinische Botschaft hat gebeten, sofern argentinische Juden in Betracht kommen sollten, ihr die Personalien der Betreffenden unverzüglich bekannt zu geben. Sie werde sich dann mit Ihrer Regierung in Buenos Aires in Verbindung setzen, wolle eine solche Fühlungnahme jedoch, bevor nicht feststehe, ob überhaupt Argentinier betroffen würden, zur Vermeidung einer Beunruhigung unterlassen." (ADAP, Serie E, Bd. VII, Nr. 189)

30.01.1944

Rundfunkrede Hitlers zum Jahrestag der "Machtergreifung"

"Übrigens wird jeder Staat, der sich so wie England dem Judentum erst einmal verschrieben hat, früher oder später dieser Pest erliegen, es sei denn, er rafft sich in letzter Minute noch auf und entfernt mit Gewalt diese Bakterien aus seinem Körper. Die Meinung, zu einem friedlichen Zusammenleben oder gar zu einem Ausgleich der eigenen Interessen mit denen der Fermente dieser Völkerzersetzung kommen zu können, ist nichts anderes, als zu hoffen, daß der menschliche Körper in der Lage sei, auf die Dauer auch Pestbazillen zu assimilieren." (Domarus, S. 2082)

Januar/Februar 1944

Italien

Errichtung des deutschen Konzentrationslagers San Sabba bei Triest.

Von Triest gingen 22 Deportationszüge mit politischen Gefangenen und Juden, die im Gebiet Triest, Gorizia, Friuli, Fiume (Rijeka) und Istrien verhaftet worden waren, ab. Nach der Schließung des Lagers Fossoli Anfang August 1944 wurden auch die in Venedig und Padua festgenommenen Juden nach San Sabba gebracht. (Benz, Dimension, S. 207)

WELTKRIEGSEREIGNISSE

15.01.1944

UdSSR

Sowjetische Truppen befreien Berditschew (Ukraine). In der Stadt befinden sich nur noch 15 Juden; vor dem deutschen Einmarsch hatten dort 20.000 gelebt.

16.01.1944

UdSSR

Tutschin (Ukraine) wird von sowjetischen Truppen befreit. Nur etwa 20 Juden haben in der Gegend überlebt; vor dem deutschen Einmarsch hatten in der Stadt etwa 3.000 jüdische Menschen gelebt. (EdH, S. 1442-1443)

17.01.1944

Beginn der sowjetischen Offensive zur Befreiung Leningrads. Sie führt innerhalb von zehn Tagen zum Erfolg.

22.01.1944

Alliierte Landung in Anzio und Nettuno, 40 km südlich von Rom. Der deutschen Wehrmacht gelingt es, den Brückenkopf abzuriegeln und die Front bis zum Mai zu halten.