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Januar 1940

Generalgouvernement

Geheimbericht der Akademie für Deutsches Recht.

"Das Generalgouvernement kann bei Durchführung kostspieliger und z.T. langfristiger Maßnahmen zur Hebung der landwirtschaftlichen Produktion bestenfalls 1-1,5 Millionen Umsiedler aufnehmen, denn es ist vielfach schon übervölkert. (...) Bei Zusiedlung von 1,6 Millionen würde die Reichszahl (1925) von 133 Einwohnern auf den qkm erreicht werden, was praktisch infolge ländlicher Überbevölkerung und mangelnder Industrie einen doppelten Überdruck hervorrufen muß.

Diese Zahl 1,6 Millionen würde knapp genügen, um aus den Reichsgrenzen abzuschieben: die Juden aus dem befreiten Osten (d.h. aus den direkt ans Reich angeschlossen westpolnischen Gebieten wie Wartheland und Ostoberschlesien) (über 600.000), Teile der übrigen Juden, vorzugsweise jüngere Altersgruppen aus dem Altreich, der Ostmark (Österreich), dem Sudetengau, dem Protektorat (zusammen über 1 Million)."

Hinzu kämen aus den annektierten polnischen Westgebieten ins Generalgouvernement auszusiedelnde Polen: "Die politisch belastete und führungsfähige polnische Intelligenz, die führenden Wirtschaftler, darunter Großgrundbesitzer, Industrieunternehmer, Großkaufleute usw., die bäuerliche Landbevölkerung, soweit sie Platz machen muß, um die siedlungsmäßige Einkreisung polnischen Volksbodens im Reichsosten durch Streifen deutscher Siedlungen durchzuführen."

"Zur Entlastung des Wohnraumes der Polen sowohl im Generalgouvernement als auch im befreiten Osten sollte man billige Arbeitskräfte zu vielen Hunderttausenden auf Zeit herausnehmen, sie für einige Jahre im Altreich ansetzen, und sie damit zugleich aus ihrem heimatlichen biologischen Wachstumsprozeß ausschalten." (Daß sie sich im Altreich einschalten (d.h. vermehren), muß verhindert werden!)" (IMT, PS-661)

In Grafeneck beginnen die systematischen Morde durch Gas an Patienten deutschen Nervenheilanstalten.

03.01.1940

Erlaß des Reichsministers für Landwirtschaft

Die "Sonderrationen" sollen für den Zuteilungszeitraum 15. Januar bis 4. Februar 1940 den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern erneut gekürzt werden. (Kein Fleisch und kein Gemüse) (Walk, S. 314)

04.01.1940

In Berlin findet unter Leitung Eichmanns eine Vorbesprechung über die "Juden- und Polenevakuierung in den Ostgebieten in allernächster Zukunft" statt.

Der Vertreter des Generalgouvernement spricht von Schwierigkeiten, "die dadurch entstanden sind, daß in mehreren Fällen das vom Gouvernement zugesagte Kontingent an zu Evakuierenden überschritten wurde und dadurch die Unterbringung drüben weitestgehend erschwert ist. Die Leute mußten bis zu 8 Tagen in verschlossenen Eisenbahnwagen sitzen, ohne ihre Notdurft verrichten zu können. Außerdem sind bei einem Transport wärend der großen Kälte 100 Erfrierungen vorgekommen. Um ähnliche Vorkommnisse in Zukunft zu vermeiden, wurde dringend darauf hingewiesen, daß das vom Generalgouvernement vorgeschriebene Kontingent unbedingt einzuhalten ist."

Himmler habe angeordnet, daß die "Evakuierung" aller Juden aus den annektierten polnischen Westgebieten vordringlich durchzuführen sei. (Lodz, S. 151)

05.01.1940

Erlaß des Reichserziehungsministers

Jüdische Mischlinge deutscher Staatsangehörigkeit können mit Genehmigung des Ministers zum Studium zugelassen werden; ausländische Staatsangehörige, die Juden sind, werden nicht zugelassen. (Walk, S. 314)

11.01.1940

Generalgouvernement: Dienstbesprechung Krakau

Aus dem Generalgouvernement werden mit dem Ende der durch Engpässe begründeten zeitweiligen Transportsperre (ab 15. Januar) täglich zehn Züge mit je 1.000 polnischen Arbeiterinnen und Arbeitern ins Reich fahren.
Bei der "Umsiedlungsaktion", d.h. der gewaltsamen Massenabschiebung von Juden und Polen aus den annektierten polnischen Westgebieten ins Generalgouvernement, "müsse vermieden werden, daß sie in diesem brutalen Stil weitergeführt wird wie bisher, da sonst zu befürchten sei, daß sich die Leute nicht mehr freiwillig für das Reich melden, und weil auch die Möglichkeit des Einsatzes dieser Leute im Reich durch die Art der Umsiedlung beeinträchtigt werde." (Präg, S. 85)

12.01.1940

Generalgouvernement

Im Psychiatrischen Krankenhaus in Chelm bei Lublin erschießen Angehörige der deutschen Sicherheitspolizei alle 420 Patienten.

15.01.1940

Generalgouvernement: Dienstbesprechung in Krakau

"Präsident Spindler weist auf die außerordentlichen Ausgaben hin, die durch die Judenzwangsarbeit entstehen. Der Aufbau dieser Einrichtung sei auf 90 Millionen veranschlagt. Es seien 4 Konzentrationslager geplant. Wenn diese Ausgabe in Wegfall käme und auch die Ausgaben für Straßenbauten nicht in der von der Wehrmacht geforderten Höhe gemacht werden müßten, könnte der Etat ausgeglichen werden.

Der Herr Generalgouverneur (Frank) betont, daß die Einsetzung eines Betrages in der genannten Höhe für die Zwecke der Judenzwangsarbeit nicht in Frage komme. Was die Straßenbauten anbelange, so müsse die Wehrmacht die Kosten tragen, wenn sie Straßen bauen wolle." (Präg, S. 88)

18.01.1940

Mitarbeiterbesprechung im Propagandaministerium

"Der Deutsche Verein für Kunstwissenschaften propagiert in einer Schrift jüdische Schriftsteller und Kunstwissenschaftler. Die Angelegenheit soll geklärt und abgestellt werden." (Boelcke I, S. 269)

19.01.1940

Generalgouvernement: Abteilungsleiter-Sitzung

Frank: "Die Gesamtsituation bringt es mit sich, ja fordert es gebieterisch, daß die Umsiedlungsaktion zunächst bis in den März hinein völlig eingestellt wird. Ich habe bei allen verantwortlichen Stellen auf die absolute Unmöglichkeit hingewiesen, das Problem der Rückführung der Polen in den eigentlichen polnischen Siedlungsraum in der bisher geplanten Form zu lösen." - Die Unterbrechung könnte man nutzen, die Methoden der Umsiedlung zu verbessern und Mißstände zu beseitigen; dann könnte die Umsiedlung im März oder April "unter weit günstigeren Bedingungen wieder einsetzen."

Polizeichef Krüger, SS: Durch die Übernahme von "Volksdeutschen" aus den baltischen Ländern seien die Dienststellen in den annektierten Gebieten gezwungen gewesen, "in sehr kurzer Zeit über 80.000 Polen und Juden aus diesen Ostgebieten des Reichs herauszuschieben und hier im Generalgouvernement unterzubringen (...). Das Unternehmen gestaltete sich in mehrfacher Hinsicht äußerst schwierig. Außer diesen 80.000 Polen und Juden, die ins GG hereinkommen sollten, wurden auf illegalem Wege weitere 30.000 Polen und Juden hereingeschoben. Wenn die Durchführung dieser Aktion einigermaßen gelang, so ist das nur der intensiven Tätigkeit aller beteiligten Stellen des GG zu verdanken. Bei allen Umsiedlungsaktionen müssen selbstverständlich in erster Linie jene Dienststellen gehört werden, die diese Menschenmassen aufnehmen und lenken müssen. Denn hier handelt es sich um eine moderne Völkerwanderung. Dies haben die Zentralstellen Berlin in Verkennung der besonderen Verhältnisse im GG leider vielfach übersehen. So kam es, daß der Abschub teilweise auf große Schwierigkeiten stieß."

Frank teilt mit, daß der "Fernplan" für die Zwangsumsiedlungen, der mit dem 15. Januar beginnen sollte, zunächst auf den 1. März zurückgestellt wurde. Nach diesem Plan sollen aus den annektierten Gebieten 600.000 Juden "zunächst" in das Generalgouvernement gebracht werden. "Vorweg" sollen nun jeweils 20.000 Menschen in die Distrikte Krakau und Radom transportiert werden. Diese Zahl soll den beiden Distrikten im weiteren Verlauf der "Umsiedlungsaktion" auf ihr Gesamtkontingent angerechnet werden.  (Präg, S. 93-97)

23.01.1940

Erlaß des Reichswirtschaftsministers

Juden erhalten keine Reichskleiderkarte. An Juden sind grundsätzlich keine Bezugsscheine für Textilien, Schuhe und Sohlenmaterial abzugeben. Die Versorgung der Juden mit Kleidung soll durch die Reichsvereinigung bzw. durch den Erwerb von bezugsscheinfreien Altwaren erfolgen. Nur in Ausnahmefällen können Juden, die körperliche Arbeit leisten, Bezugsscheine für Kleidung erhalten. (Walk, S. 316)

25.01. - 27.02.1940

Wartheland

Mindestens 681 "unheilbar Geisteskranke" aus den pommerschen Anstalten Treptow, Lauenburg und Ueckermünde werden nach Kosten bei Posen im Wartheland gebracht und dort in Gaswagen getötet.

Nach ihrer vollständigen Räumung (durch Verlegung und Ermordung der Patienten) wurde die Heilanstalt Lauenburg am 1. März 1940 an die SS verpachtet. Sie hattte 1937 über 1.000 Betten verfügt. Ebenfalls wurde die Anstalt in Stralsund auf diese Weise geschlossen. Der Etat der Provinz Pommern für 1940 weist aus, daß 2.300 Patienten aus Pommern abtransportiert wurden und dadurch im Haushaltsjahr eine Ersparnis von 350.000 RM erreicht wurde.

25.01.1940

Generalgouvernement

Bildung eines Judenrats in Lublin. Viele Juden arbeiten in den Fabrikanlagen der Deutschen Ausrüstungswerke, die in einem Kriegsgefangenenlager in der Lipowa-Straße untergebracht sind. Im Sommer 1940 beginnen die Deutschen mit der Internierung von Juden in Arbeitslagern außerhalb der Stadt.

26.01.1940

Generalgouvernement

Frank läßt den Juden die Benutzung der Eisenbahn verbieten.

30.01.1940

Konferenz im Reichssicherheitshauptamt unter Leitung Heydrichs

Thema ist die "Umsiedlung" von Juden, Polen und Zigeunern aus dem annektierten Wartheland ins Generalgouvernement, sowie die Ansiedlung von "Volksdeutschen" aus Osteuropa in den annektierten Ostgebieten.

Heydrich: Bisher seien 87.000 Polen und Juden aus dem Reichsgau Wartheland ins Generalgouvernement abgeschoben worden, "um für die dort anzusiedelnden Baltendeutschen Raum zu schaffen". Aus dem gleichen Grund sei jetzt die Abschiebung von weiteren 40.000 Juden und Polen vordringlich.

Zusätzlich zu den polnischen Kriegsgefangenen sollen bis zu einer Millionen Polen und Polinnen aus dem Generalgouvernement und zum Teil auch aus den annektierten Ostgebieten zur Zwangsarbeit im Reichsgebiet eingesetzt werden.

"Nach den beiden Massenbewegungen von etwa 40.000 Polen und Juden im Interesse der Baltendeutschen und von etwa 120.000 Polen im Interesse der Wolhyniendeutschen, soll als letzte Massenbewegung die Abschiebung von sämtlichen Juden der neuen Ostgaue und 30.000 Zigeunern aus dem Reichsgebiet in das Generalgouvernement erfolgen. Nachdem festgestellt wurde, daß die Räumung von 120.000 Polen etwa im März 1940 zu laufen beginnt, muß die Evakuierung von Juden und Zigeunern bis zur Beendigung der vorgenannten Aktionen aufgeschoben werden."

Der Polizeichef des Generalgouvernements, Krüger, trägt vor, daß außerdem innerhalb des GG weitere 100.000-120.000 Menschen zwangsweise umgesiedelt werden müßten, um die Forderungen der Wehrmacht nach Truppenübungsgeländen zu erfüllen.

Heydrich: Diverse Bauvorhaben würden "wohl Gelegenheit geben, mehrere 100.000 Juden in Zwangsarbeitslagern zusammenzufassen, deren Familien dann den übrigen im GG bereits befindlichen jüdischen Familien zugeteilt werden könnten."

Heydrich kündigt an, daß Mitte Februar 1.000 Juden aus Stettin ins Generalgouvernement abgeschoben werden sollen, weil ihre Wohnungen "aus kriegswirtschaftlichen Gründen dringend benötigt" würden. (Adler, S. 116; IMT, NO-5322)


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