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01.12.1938

Schreiben des Reichswirtschaftsministers

Falls jüdische Einzelhändler ihre Geschäfte von neuem eröffnet haben, um die Verkaufsmöglichkeiten für Weihnachten auszunützen, sind die Läden sofort von der Polizei zu schließen, sofern es sich nicht um Juden ausländischer  Staatsangehörigkeit handelt; diese dürfen ihre Geschäfte noch bis zum 31. Dezember fortsetzen. (Walk, S. 261)

Großbritannien

In der Londoner Albert-Hall findet eine Protestkundgebung gegen die deutsche Judenverfolgung statt. Redner sind u.a. die Erzbischöfe von York und Westminster, der Oberrabbiner Hertz, der ehemalige konservative Kolonialminister Amery und der liberale Oppositionsführer Sinclair.

02.12.1938

Schreiben Himmlers an den Chef der Reichskanzlei, Lammers.

"In der Zeit vom 27. bis 29. Oktober 1938 sind insgesamt etwa 17.000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit nach Polen abgeschoben worden. Die von der polnischen Regierung beabsichtigten Gegenmaßnahmen sind infolge der zwischen den beiden Regierungen getroffenen Vereinbarung nicht mehr zur Durchführung gelangt. Die in der Zeit vom 2. bis 10. November geführten deutsch-polnischen Verhandlungen haben bisher zu einer Einigung nicht geführt. Nur in einzelnen Punkten konnte eine Übereinstimmung erzielt werden."

Aufgrund des Pariser Attentats seien die Verhandlungen vorübergehend unterbrochen worden. (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 107 und Fußnote)

03.12.1938

Juden wird das Führen und Halten von PKWs und Krafträdern mit sofortiger Wirkung verboten. Führerscheine und KfZ-Papiere müssen bis spätestens 31. Dezember zurückgegeben werden.

Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens

Die Verordnung gibt den höheren Verwaltungsbehörden die Ermächtigung, Juden zum Verkauf oder zur Abwicklung ihres gewerblichen Betriebes sowie zur Veräußerung ihres Grundbesitzes und ihrer sonstigen Vermögensteile zu zwingen. Zur Abwicklung eines Betriebes oder zur Verwaltung sonstiger Vermögen können "Treuhänder" eingesetzt werden. Juden können künftig Grundstücke und Rechte an Grundstücken nicht mehr erwerben. Für jeden Grundstücksverkauf durch Juden wird eine allgemeine Genehmigungspflicht eingeführt. Für Wertpapiere wird der Depotzwang eingeführt, d.h. Juden müssen ihre gesamten Wertpapiere u.ä. binnen einer Woche in ein Depot bei einer Devisenbank einliefern. Verfügungen darüber bedürfen der Genehmigung des Reichswirtschaftsministers oder der von ihm beauftragten Stelle. Juden wird es gesetzlich verboten, Gold, Platin, Silber, Edelsteine und Perlen zu erwerben oder frei zu veräußern. Der Erwerb solcher Gegenstände aus jüdischem Besitz ist nur durch besondere amtliche Ankaufstellen (zu den von diesen festgesetzten Preisen) gestattet. Das gilt auch für Schmuck und Kunstgegenstände, soweit der Wert im Einzelfall 1.000 RM übersteigt. (RGBl I, S. 1709)

Internationale Politik

Eine Sitzung des Subkomitees der Evian-Konferenz befaßt sich mit der Frage der jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland. Der niederländische Vertreter berichtet, daß sich Seine Regierung mit Siedlungsmöglichkeiten in Guayana (Surinam) und Westindien befasse.
Der französische Vertreter kündigt an, daß Seine Regierung die Unterbringung von 10.000 Juden, vor allem im mittleren Madagaskar, erwäge. (AdG, S. 3832)

04.12.1938

Die Ergänzungswahl im Sudetenland zum Reichstag bringt angeblich 98,9% für Hitler und die NSDAP. (AdG, S. 3835)

05.12.1938

Siebte Verordnung zum Reichsbürgergesetz

Die Ruhegehälter ausgeschiedener jüdischer Beamter werden heruntergesetzt. Vom 1.1.39 ab werden den Beamten, die am 31.12.35 oder im oberschlesischen Abstimmungsgebiet am 31.8.37 in den Ruhestand getreten sind, nicht mehr die vollen ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, sondern nur Ruhegehälter nach dem Stand am Tages ihres Ausscheidens gezahlt. (RGBl I, S. 1751)

Der Reichswirtschaftsminister ordnet an: Soweit in Ausnahmefällen noch jüdische Wirtschaftsprüfer und vereidigte Bücherrevisoren tätig sind, kann deren Bestellung mit Wirkung zum 31. Dezember 1938 widerrufen werden. (AdG, S. 3836)

Danzig

Die Regierung der Freien Stadt Danzig erläßt eine Verordnung "zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre", die in Anlehnung an die deutschen Rassengesetze definiert, wer Jude oder jüdischer Mischling ist, und entsprechende Eheverbote usw. enthält. Juden dürfen kein öffentliches Amt ausüben. (AdG, S. 3836)

Niederlande

Ministerpräsident Cloijn gibt im Parlament bekannt, daß seit 1933 etwa 25.000 Füchtlinge aufgenommen worden seien. Unter diesen befanden sich 13.000 Juden und 4.000 "Halbjuden". Etwa 17.000 Flüchtlinge seien in den Niederlanden ansässig geworden. Mit dieser Zahl lägen die Niederlande unter allen Ländern weitaus an der Spitze. Künftig könnten Emigranten, sofern nicht besondere Genehmigungen des Justizministers vorliegen, nur noch vorübergehend und in dem Maße aufgenommen werden, in dem eine endgültige Einwanderungsmöglichkeit in andere Länder besteht.

Auf die niederländische Anfrage zur Flüchtlingsproblematik (s. 18.11.1938) habe außer der Schweiz nur Belgien geantwortet, indem es sich bereit erklärte, Ausweisungen von schon im Land befindlichen Flüchtlingen vorerst einzustellen und sie in Lagern unterzubringen. Nur unter der Voraussetzung, daß auch andere Länder entsprechende Maßnahmen treffen, werde Belgien noch etwa 2.000 Kinder und mehrere hundert erwachsene Flüchtlinge zulassen. Die zaudernde Haltung anderer Länder müsse zur Vorsicht mahnen, zumal es Kreise gebe, die vor einem allzu großen Entgegenkommen warnen, um den Antisemitismus in den Niederlanden nicht zu steigern. (AdG, S. 3836)

Internationale Politik

Bericht des Deutschen Botschafters in London, Dirksen, an das Ausw. Amt:

Vor kurzem habe in London eine Sitzung des Evian-Komitees stattgefunden. Der französische Vertreter habe zu Beginn erklärt, das Komitee brauche sich um die Sache (Ausreise und Unterbringung von Juden aus Deutschland) nicht weiter zu kümmern, da der britische Premier Chamberlain der französischen Regierung "die weitere Behandlung dieses schwierigen Problems zu treuen Händen überlassen" habe.
    Rublee als Sprecher des Evian-Komitees sei über diese Entwicklung etwas beunruhigt, da er befürchte, "daß die Sache durch ungeschickte Behandlung auf französischer Seite gefährdet werden könnte". Er habe darauf hingewiesen, "daß Seine Verhandlungsmöglichkeiten mit Deutschland noch nicht erschöpft seien" und daß man ihm Zeit lassen müsse.

Göring habe angeblich vor einigen Tagen den britischen Botschaftsrat in Berlin angesprochen und für eine Verständigung folgende Bedingungen als unerläßlich bezeichnet: "Die Lösung müsse auf rein geschäftlicher Grundlage unter Vermeidung aller diplomatischen oder politischen Intrigen gefunden werden. Devisen könnten nicht zur Verfügung gestellt werden; soweit Devisen für den Plan gebraucht würden, müßten sie durch eine Erhöhung des deutschen Exports hereingebracht werden. Für die vorläufige Finanzierung der Abwanderung müßten vorschußweise Devisen aus dem Ausland zur Verfügung gestellt werden." (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 653)

06.12.1938

In Berlin tritt ein vom Polizeipräsidenten verhängter "Judenbann" in Kraft. Eine Reihe von Straßen, Plätzen, Anlagen und Gebäuden dürfen künftig von Juden nicht mehr betreten oder befahren werden. Juden, die zu diesem Zeitpunkt innerhalb eines "Banngebiets" leben, benötigen einen Erlaubnisschein; nach dem 1. Juli 1939 sollen solche Ausnahmegenehmigungen nicht mehr erteilt werden. Der Berliner "Judenbann" umfaßt u.a. alle Theater, Kinos, Kabaretts, Konzert- und Vortragsräume, die Ausstellungshallen am Kurfürstendamm und das  Ausstellungsgelände am Funkturm, die Deutschlandhalle, den Sportpalast, öffentliche und private Badeanstalten, Hallenbäder und Freibäder sowie einige Straßen. (AdG, S. 3833)

Ansprache Görings im Reichsluftfahrtministerium vor Gauleitern, Oberpräsidenten und Reichsstatthaltern

Man habe darauf verzichtet, die Tatsache, daß er "die Judenfrage" in die Hand genommen habe, öffentlich bekannt zu machen, "weil der Führer nicht wünschte, daß ich in meiner Stellung dem Ausland und auch dem Inland gegenüber hier zu sehr belastet würde."

Hitler habe es mißbilligt, daß die Verfügung des Berliner Polizeipräsidenten über die Zusammenfassung der Juden in gewissen Vierteln usw. in der Presse veröffentlicht wurde. Hitler wolle, "daß vorläufig überhaupt nur das unerläßlich Notwendigste zu veröffentlichen ist", "damit der Vorgang reibungslos ablaufen kann", und um die "Auslandshetze" in dieser Frage abklingen zu lassen.

Hitler habe als Grundsatz ausgesprochen: "An der Spitze aller unserer Überlegungen und Maßnahmen steht der Sinn, die Juden so rasch und so effektiv wie möglich ins Ausland abzuschieben, die Auswanderung mit allem Nachdruck zu forcieren, und hierbei all das wegzunehmen, was die Auswanderung hindert."

Außerdem habe Hitler entschieden, "daß keinerlei Kenntlichmachung der Juden erfolgt", im wesentlichen mit der Begründung, daß es sonst zu "Exzessen" käme und die Juden in manchen Gauen keine Lebensmittel mehr bekämen.    

Man könne heute nicht alle Juden verhaften, "denn dafür müßten wir ganz andere Räumlichkeiten zur Verfügung haben". Die gesunden Juden ohne Anstellung könnten aber "in gewissen Arbeiterformationen zusammengefaßt werden", "um Ziegel zu bearbeiten oder am Kanal zu graben". (nach: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, Hrg. Wolfgang Benz, Bd. 2, FfM. 1993)

07.12.1938

Gespräch zwischen dem deutschen Außenminister Ribbentrop und seinem französischen Amtskollegen Bonnet in Paris. (Bericht Ribbentrops)

"1) Die Judenfrage. Nachdem ich Herrn Bonnet erklärt hatte, daß ich mit ihm offiziell nicht über dieses Problem sprechen könne, sagte er, er wolle mir nur privatim sagen, wie sehr man in Frankreich an einer Lösung des Judenproblems interessiert sei. (...) Erstens wolle man keine Juden aus Deutschland mehr aufnehmen, und ob wir nicht irgendwelche Maßnahmen treffen könnten, damit sie nicht mehr nach Frankreich kämen, und zweitens müßte man in Frankreich zehntausend Juden irgendwie loswerden. Man denke hierbei tatsächlich an Madagaskar.
Ich erwiderte Herrn Bonnet, daß wir alle unsere Juden loswerden wollten, daß die Schwierigkeit aber darin läge, daß kein Land sie aufnehmen wolle und ferner am Mangel an Devisen." (ADAP, Serie D, Bd. IV, Nr. 372)

Litauen

Die litauische Regierung ordnet an, daß ausländische Juden, die ohne nachweisbare Beschäftigung in der litauischen Hauptstadt Kaunas leben, nicht länger dort wohnen dürfen, sondern sich in einem Provinzort niederlassen müssen. (AdG, S. 3840)

08.12.1938

Himmler beauftragt das Kriminalpolizeiamt, alle seßhaften und nicht seßhaften Zigeuner zu erfassen und der "Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" zu melden. Die Zigeuner und Zigeunermischlinge werden verpflichtet, sich "rassenbiologischen" Untersuchungen zu unterziehen und die notwendigen Angaben über ihre Abstammung vorzulegen. Ausweispapiere dürfen nur nach Zustimmung der Kriminalpolizei ausgehändigt werden, Waffenscheine sind stets zu versagen. Ausländische Zigeuner sollen an der Einreise nach Deutschland  gehindert werden; die im Reich angetroffenen ausländischen Zigeuner sollen ausgewiesen werden. (AdG, S. 3846)

Jüdischen Professoren, Lehrkräften und wissenschaftlichen Beamten, die bisher noch ausnahmsweise die Genehmigung hatten, privat und ohne jede Fühlungnahme mit den Studenten in Hochschulinstituten und Bibliotheken zu arbeiten, wird diese Genehmigung mit sofortiger Wirksamkeit entzogen. (AdG, S. 3866)

09.12.1938

Der Reichswirtschaftsministers ordnet an, daß Juden zu den Prüfungen der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammern nicht zugelassen werden dürfen. Es kann ihnen aber zur Förderung ihrer Auswanderung eine Bescheinigung über ihre Berufsausbildung oder ihre fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten gegeben werden. (Walk, S. 265)

10.12.1938

Anweisung Görings als Beauftragter für den Vierjahresplan, "im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers"

"I. (1) Die Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben ist Aufgabe des Staates und obliegt daher ausschließlich den hierzu ausdrücklich bestimmten Behörden und Stellen. - (2) Soweit bisher besondere Einrichtungen für diesen Zweck geschaffen worden sind, bedürfen sie der Genehmigung des Reichswirtschaftsministers oder sie sind aufzuheben.

II. Die Übernahme jüdischer Betriebe und sonstiger Vermögenswerte aus jüdischem Besitz hat nur auf streng gesetzlicher Grundlage gemäß den dafür erlassenen Vorschriften zu erfolgen. Geschäfte, die im Widerspruch hierzu seit dem 1. November 1938 vorgenommen worden sind, werden rückgängig gemacht.

III. Der Nutzen aus der Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben kommt allein dem Reiche zu. Personen und Stellen, die aus der Überleitung jüdischer Betriebe oder sonstiger Vermögenswerte einen ungerechtfertigten Vorteil gezogen haben, können daher zu einer Ausgleichsabgabe zu Gunsten des Reichs herangezogen werden."  (IMT, PS-1208)

12.12.1938

Gesetz über die Devisenbewirtschaftung

Juden dürfen im Reiseverkehr andere als die zum persönlichen Gebrauch unbedingt erforderlichen Gegenstände nur mit Genehmigung ins Ausland (...) mitnehmen.
Das Gesetz enthält auch beschränkende Vorschriften über die Ausfuhr von Geld, Werpapieren, Schmuck usw. durch Auswanderer. (RGBl I, S. 1734-1748)

Erlaß Himmlers

Alle jüdischen Schutzhäftlinge, die über 50 Jahre alt sind, sind zu entlassen. Die Freigelassen haben sich sofort bei den Polizeibehörden zu melden. (Walk, S. 266; Adler, S. 38)

14.12.1938

Zweite Verordnung zur Durchführung der VO zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben

  • § 1: In Betrieben, deren Unternehmer ein Jude ist, hat der Reichstreuhänder der Arbeit einen Betriebsführer einzusetzen, der die blutmäßigen Voraussetzungen für den Erwerb des Reichsbürgerrechts erfüllt.
  • § 2: Die Vorschriften des § 1 finden auch auf Juden Anwendung, die als gesetzliche Vertreter juristischer Personen und Personengesamtheiten Betriebsführer sind. Es kann in diesen Fällen von der Bestellung neuer Betriebsführer abgesehen werden, wenn neben den Juden andere Personen als gesetzliche Vertreter Betriebsführer sind und dadurch eine ordnungsgemäße Führung des Betriebes gewährleistet ist.
  • § 3: Juden können vom 1. Januar 1939 ab auch nicht mehr stellvertretender Betriebsführer sein.
  • § 5: Eine Entschädigung für persönliche oder wirtschaftliche Nachteile, die durch die Durchführung dieser Verordnung entstehen, wird nicht gewährt. (RGBl I, S. 1902)

Rundschreiben des Bevollmächtigten für den Vierjahresplan, Göring

Die örtlichen Regierungs- und Gemeindebehörden werden ersucht, vor jeder Anweisung in jüdischen Angelegenheiten Görings Genehmigung einzuholen. Jede eigenmächtige Tätigkeit auf diesem Gebiet ist ihnen untersagt. (Walk, S. 268)

15.12.1938

Frankreich

Außenminister Bonnet macht vor dem Kammerausschuß für auswärtige Angelegenheiten folgende Vorschläge zur Unterstützung jüdischer Flüchtlinge:

  1. Die Niederlassung einer bestimmten Zahl von Flüchtlingen in den französischen Kolonien;
  2. die Zulassung weiterer Flüchtlinge in Frankreich, im gleichen Ausmaß, in dem dies durch die Vereinigten Staaten und Großbritannien geschieht;
  3. die Schaffung eines Komitees für die Aufnahme von jüdischen Kindern, die von ihren Eltern getrennt sind. (AdG, S. 3851)

16.12.1938

Bericht des deutschen Botschafters in London, Dirksen, an das Auswärtige Amt

Reichsbankpräsident Schacht, der sich drei Tage in London aufhielt, habe ihm über das Ergebnis seiner Besprechungen mitgeteilt:

"1. Hinsichtlich der Frage der Abwanderung der Juden aus Deutschland hat er eine längere Besprechung mit Lord Winterton, dem Vorsitzenden der Evian-Konferenz, Mr. Rublee, dem Vorsitzenden des zwischenstaatlichen Flüchtlings-Ausschusses, und mit dem wirtschaftlichen Hauptberater der englischen Regierung, Sir Frederick Leith-Ross, gehabt. Er hat hierbei den Plan entwickelt, daß innerhalb einiger Jahre 150.000 Juden aus Deutschland abtransportiert und im Ausland angesiedelt werden sollten; die finanziellen Mittel in Höhe von anderthalb Milliarden Mark würden von einem ausländischen Konsortium aufzubringen und deutscherseits durch zusätzliche Ausfuhr zu verzinsen und zu amortisieren sein. Dieser Plan wurde von den Herren Winterton, Rublee und Leith-Ross als Diskussionsbasis angenommen. Der Fortgang der Besprechungen soll verabredet werden, sobald Herr Schacht in Berlin Bericht erstattet hat und die Richtlinien für die weiteren Verhandlungen unsererseits festgelegt sind." (ADAP, Serie D, Bd. IV, Nr. 280)

17.12.1938

Interner Erlaß des Reichserziehungsministers

"Eine Neuregelung der Unterhaltung jüdischer Schulen ist in Aussicht genommen. Da es nicht angeht, die schulpflichtigen Juden in der Zwischenzeit ganz ohne Unterricht zu lassen, ist dafür zu sorgen, daß die bisherigen Schuleinrichtungen für Juden bis auf weiteres erhalten bleiben. Die in den Schulgebäuden der allgemeinen Volksschulen eingerichteten Sammelklassen sind jedoch, wenn andere Räumlichkeiten nicht zur Verfügung stehen, aufzulösen, da ein Unterricht an deutsche und jüdische Schüler im gleichen Gebäude nicht mehr in Betracht kommen kann.
Von der Zahlung von Zuschüssen an jüdische Privatschulen aus Mitteln des Staates wird künftig abgesehen. Soweit die Lehrer jüdischer Schulen (mit Ausnahme der nach Absatz 2 aufgelösten Sammelklassen für jüdische Schüler) ihr Gehalt bisher aus der Staatskasse oder einer anderen öffentlichen Kasse (...) erhalten haben, ist dieses bis auf weiteres weiterzuzahlen." (Walk, S. 268-269)

Danzig

Eine Versammlung der jüdischen Gemeinde beschließt eine öffentliche Erklärung, daß alle Juden bereit seien, die Stadt zu verlassen. Der nationalsozialistische Senat hatte diese Erklärung als Voraussetzung für die Erteilung von Pässen und Visa gefordert.
Bei Kriegsbeginn lebten noch 1.600 Juden, meist ältere Menschen, in Danzig. (EdH, S. 310)

20.12.1938

Anordnung des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung

"Nach den mir vorliegenden Berichten hat sich die Zahl der arbeitslosen Juden erheblich vermehrt. Der Staat hat kein Interesse daran, die Arbeitskraft der einsatzfähigen arbeitslosen Juden unausgenutzt zu lassen und diese unter Umständen aus öffentlichen Mitteln ohne Gegenleistung zu unterstützen.
Es ist anzustreben, alle arbeitslosen und einsatzfähigen Juden beschleunigt zu beschäftigen und damit nach Möglichkeit die Freistellung deutscher Arbeitskräfte für vordringliche, staatspolitische wichtige Vorhaben zu verbinden. Der Einsatz erfolgt in Betrieben, Betriebsabteilungen, bei Bauten, Meliorationen usw., abgesondert von der Gefolgschaft. Die Arbeitsämter haben daher unverzüglich bei den öffentlichen und privaten Unternehmen ihres Bezirks auf die Bereitstellung solcher Arbeiten hinzuwirken. (...) Wegen der Bereitstellung geeigneter Arbeiten für Juden auch durch öffentliche Betriebe habe ich mich mit den in Frage kommenden Obersten Reichsbehörden in Verbindung gesetzt." (Adler, S. 208-209)

Erlaß des Reichsinnenministers

Juden und Mischlinge ersten Grades werden zur Ausbildung für den Apothekerberuf und zu den pharmazeutischen Prüfungen grundsätzlich nicht zugelassen. Die Bestallung als Apotheker ist ihnen zu versagen. (Walk, S. 270)

Aktennotiz des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, von Weizsäcker. 

Aufgrund einer in der BZ vom 19. Dezember erschienenen Meldung über Schachts Gespräche in London (s. 16.12.1938) habe er im Auftrag Ribbentrops Schacht angerufen, "um ihn wegen dieses Artikels und insbesondere seines Schlußsatzes sowie wegen der Erörterung der Materie in London zur Rede zu stellen".

U.a. habe er Schacht gesagt, Ribbentrop sei "wegen der Behandlung einer solch grundsätzlichen Frage der auswärtigen Politik in London" verwundert. "Die Materie sei seit sechs Monaten zwischen den ausländischen diplomatischen Vertretungen und dem Auswärtigen Amt in Erörterung und von uns bisher ganz negativ behandelt worden. Ich hätte zu fragen, ob etwa ein Auftrag des Führers vorgelegen habe, die Materie ohne Fühlungnahme mit dem Herrn Reichsaußenminister zu erörtern."

Schacht habe bestätigt, daß er für die Gespräche einen Auftrag Hitlers habe. Diesem werde er demnächst Bericht erstatten. Vorher möchte er sich in der Sache nicht weiter äußern; anschließend werde er auch Ribbentrop informieren.
Außerdem sei er auch von Göring, mit dem er die Materie eingehend besprochen habe, zu den Besprechungen in London aufgefordert worden. (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 655)

21.12.1938

Hebammengesetz

Die Anerkennung als Hebamme ist zu versagen, wenn die Bewerberin Jüdin ist. (RGBl I, S. 1893-1896)

Der deutsche Botschafter in London, Dirksen, an das Auswärtige Amt

Am Vortag habe unter Vorsitz Rublees (Sprecher des Evian-Komitees) eine Sitzung von Finanzsachverständigen aus England, USA, Frankreich und den Niederlanden stattgefunden. Die Vorschläge Schachts zur Förderung und Finanzierung der jüdischen Auswanderung aus Deutschland seien als Verhandlungsgrundlage angenommen worden. Rublee sei beauftragt worden, Anfang Januar Verhandlungen in Berlin zu führen. (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 657)

22.12.1938

Ungarn

Im Abgeordnetenhaus wird von der Regierung eine  Gesetzesvorlage über die "Einschränkung der Beteiligung der Juden im öffentlichen und wirtschaftlichen Leben des Landes" eingebracht, die eine wesentliche Verschärfung der bisherigen antijüdischen Gesetzgebung darstellt.

  • Als Jude soll nun gelten, wer der jüdischen Konfession angehört bzw. bei Inkrafttreten des Gesetzes angehört hat, wer zwei jüdische Elternteile hat, sowie alle "Halbjuden", ausgenommen jene, die einer vor dem 1. Januar 1938 geschlossenen Ehe entstammen, bei der der jüdische Teil schon vor der Eheschließung getauft war.
    Nicht angewendet werden soll das Gesetz auf die Träger von  Tapferkeitsauszeichnungen und auf Schwerkriegsbeschädigte.
  • Als jüdische Unternehmen gelten solche, deren Eigentümer oder Leiter (Mehrzahl der Direktoriumsmitglieder) Juden sind oder die im Führungskreis mehr Juden beschäftigen, als das Gesetz zuläßt.
  • Die nach dem 1. Juli 1914 erworbene Staatsbürgerschaft kann Juden entzogen werden, wenn sie durch ihre Lebensverhältnisse nicht darauf angewiesen sind, im Lande zu verbleiben; durch Mißbrauch erworbene Staatsbürgerschaft ist auf alle Fälle zu entziehen.
  • Das Wahlrecht sollen die Juden gesondert mit eigenen Kandidatenlisten ausüben; die Zahl der jüdischen Abgeordneten darf in allen Vertretungskörperschaften 6% nicht übersteigen.
  • Juden dürfen nicht Beamte oder Angestellte beim Staat, Stadtverwaltungen, Gemeinden usw. sowie in öffentlichen Betrieben sein; sie dürfen nicht als Notare vereidigt werden.
  • In den Berufskammern der Anwälte, Ingenieure, Ärzte, Journalisten, und Schauspieler dürfen höchstens 6% der Mitglieder Juden sein. Soweit diese Quote bereits überschritten ist, werden bis auf weiteres keine weiteren Juden aufgenommen.
  • Juden dürfen nicht verantwortliche Redakteure, Herausgeber oder sonstige  die geistige Richtung oder die Schriftleitung des Blattes bestimmende Mitarbeiter von Zeitungen und Zeitschriften - außer den jüdischen - sein.
  • Ebenso dürfen Juden nicht Direktoren, künstlerische Leiter, Dramaturgen usw. von Theatern oder Filmunternehmen sein.
  • Konzessionen staatlicher Monopole und sonstige von behördlichen Lizenzen abhängige Rechte dürfen Juden künftig nicht mehr erteilt werden. Als Übergangszeit sind fünf Jahre vorgesehen.

Die Regierung wird ermächtigt, zur Förderung der Auswanderung von Juden und zur Regelung der Ausfuhr jüdischen Vermögens im Verordnungsweg Verfügungen zu treffen.

Zur Kommentierung der Vorlage sagt der Justizminister, Ungarn sei von einem Ring von Staaten umgeben, die dabei seien, die Juden zu verdrängen und zu vertreiben. Ungarn habe der daraus resultierenden Gefahr einer Überflutung mit Juden vorbeugen müssen. Außerdem habe die durch die Rückgewinnung slowakischer Gebiete (in der Folge des Münchner Abkommens) erfolgte Zunahme der jüdischen Bevölkerung auf ungarischem Boden die Verschärfung des bisherigen Judengesetzes notwendig gemacht. (AdG, S. 3867-3868)

23.12.1938

Die Durchführungsbestimmung zum Umsatzsteuergesetz bringt weitere Verschlechterungen für Juden. So erhalten jüdische Privatgelehrte, Künstler, Schriftsteller, Handlungsagenten und Makler die üblichen Ermäßigungen nicht  mehr. (RGBl I, S. 1935-1958)

In Berlin wird den Juden das Betreten des Arbeitsamtes untersagt; dessen Aufgaben übernimmt die "Zentrale Dienststelle für Juden". (Walk, S. 271)

27.12.1938

Die reichsdeutschen Rassengesetze treten auch in den annektierten Sudetengebieten in Kraft. (RGBl I, S. 1997)

28.12.1938

Schreiben Görings an die Reichsminister

"Der Führer hat auf meinen Vortrag folgende Entscheidungen in der Judenfrage getroffen: (...)

  • "1a) Der Mieterschutz für Juden ist generell nicht aufzuheben. Dagegen ist es erwünscht, in Einzelfällen nach Möglichkeit so zu verfahren, daß Juden in einem Haus zusammengelegt werden, soweit die Mietverhältnisse dies gestatten.
  • 1b) Aus diesem Grunde ist die Arisierung des Hausbesitzes an das Ende der Gesamtarisierung zu stellen, d.h. es soll vorläufig nur dort der Hausbesitz arisiert werden, wo in Einzelfällen zwingende Gründe dafür vorliegen. Vordringlich ist die Arisierung der Betriebe und Geschäfte, des landwirtschaftlichen Grundbesitzes, der Forsten u.a.
  • 2.) Die Benutzung von Schlafwagen und Speisewagen ist Juden zu untersagen. Andererseits sollen keine besonderen Judenabteile bereitgestellt werden. Ebensowenig darf ein Verbot für die Benutzung von Eisenbahnen, Straßenbahnen, Vorort-, Stadt- und Untergrundbahnen, Omnibussen und Schiffen ausgesprochen werden.
  • 3.) Der Judenbann soll nur für gewisse, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen usw. ausgesprochen werden. Dazu gehören solche Hotels und Gaststätten, in denen vor allem die Parteigenossenschaft verkehrt. (...) Ferner kann der Judenbann für Badeanstalten, gewisse öffentliche Plätze, Badeorte usw. ausgesprochen werden."

"Ich habe die Willensmeinung des Führers in diesen Fragen klar eingeholt, damit sie nunmehr als einzige Richtlinie für das Verfahren zu gelten hat. Alle Reichs- und Landesbehörden haben sich strikte an diese Willensmeinung zu halten." (Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, RW 18/14, Bl. 151 ff)

29.12.1938

Rumänien: Rundfunkrede von Außenminister Gafencu

"Für die zahlreiche jüdische Minderheit Rumäniens müsse in ihrem eigenen Interesse wie auch im Interesse der normalen Förderung des nationalen Elements durch weiteste und gerechte internationale Maßnahmen die Lage geregelt und die Möglichkeiten ihrer Auswanderung schleunigst vermehrt werden. Rumänien werde also mit allem Nachdruck von den Staaten mit Kolonialbesitz verlangen, daß sie eine friedliche und durchgreifende Lösung der Judenfrage erleichtern." (AdG, S. 3872)

31.12.1938

Juden werden von den staatlichen Mietbeihilfen ausgeschlossen. (RGBl I, S. 2017)

Die Zahl der im abgelaufenen Jahr aus Deutschland ausgewanderten Juden ist auf 16.561 (1937: 7.155) gestiegen. Hauptaufnahmeland waren die USA mit 10.173 Personen.

Auf Befehl von Goebbels müssen alle jüdischen Verlage und Buchhandlungen bis zum 31.12.38 aufgelöst sein.


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