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01.02.1939

Juden dürfen nicht mehr Mitglied in der Reichsmusikkammer sein - was zugleich die Voraussetzung ihrer Berufsausübung ist. Mischlinge ersten Grades ("Halbjuden") können in Ausnahmefällen mit Genehmigung des Ministers (Goebbels) zugelassen werden. (Walk, S. 279)

Tschechoslowakei

Die Prager Regierung ordnet unter starkem deutschen Druck an, daß alle jüdischen Emigranten spätestens innerhalb eines halben Jahres das Land verlassen müssen. Eine weitere Verordnung hebt Staatsbürgerschaften auf, die durch Heirat erlangt wurden, sofern die Ehe inzwischen getrennt wurde. (AdG, S. 3928)

01.02. - 02.02.1939

Verhandlungen Rublee-Wohlthat über einen internationalen Plan zur Förderung und wirtschaftlichen Absicherung der jüdischen Auswanderung aus Deutschland.

Rublee und Wohlthat verständigen sich auf einen Plan, der sich auf der Grundlage der ursprünglichen Absprachen mit Schacht bewegt (s. 16.1.1939) , aber den deutschen Vorstellungen und Einwänden mehr entgegenkommt. Trotz vereinbarter Vertraulichkeit wird der Inhalt der Gespräche am 14. Februar 1939 in der "New York Times" veröffentlicht. Die jüdischen Organisationen der USA reagieren überwiegend mit Ablehnung auf den Plan. (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 667 Fußnote)

03.02.1939

Schreiben von Gestapochef Best an den Chef der Reichskanzlei, Lammers, zu der am 24. Januar in Kraft getretenen deutsch-polnischen Vereinbarung im Abschiebestreit

Das deutsche Entgegenkommen, den Ende Oktober 1938  abgeschobenen polnischen Juden vorübergehend die Rückkehr ins Reichsgebiet zur Abwicklung ihrer Angelegenheiten zu gestatten, werde durch Polens Verpflichtung zur Übernahme der noch in Deutschland lebenden 5.-6.000 Ehefrauen und Kinder aufgewogen.

"Über die Behandlung der übrigen sich noch im Reich befindlichen polnischen Juden, die etwa 7.000 bis 8.000 betragen (...), konnte mit der polnischen Regierung eine Einigung nicht erzielt werden, da diese es ablehnt, irgendeine Bindung hinsichtlich der Nichtanwendung des polnisches Gesetzes über die Aberkennung der Staatsangehörigkeit einzugehen. Es muß also damit gerechnet werden, daß die restlichen noch im Reichsgebiet befindlichen polnischen Juden in der nächsten Zeit durch Aberkennung ihrer Staatsangehörigkeit staatenlos werden. Es wird versucht werden, mit ausländerpolizeilichen Mitteln möglichst viele dieser polnischen Juden zum Verlassen des Reichsgebietes zu veranlassen." (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 127)

04.02.1939

Bormann (vom "Stab des Stellvertreters des Führers") kritisiert in einem Schreiben an den Reichsinnenminister, daß es nach den geltenden Bestimmungen immer noch möglich sei, Fürsorgeerziehung für jüdische Jugendliche anzuordnen. Es könne nicht "unsere Aufgabe sein, wie es in dem Reichsjugendwohlfahrtgesetz heißt, Juden zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit zu erziehen". "Kriminelle Elemente" gehörten "ins Gefängnis oder ins Konzentrationslager". Auch könne es "den in den Fürsorgeerziehungsanstalten untergebrachten deutschen Menschen nicht zugemutet werden, mit Juden zusammen in Gemeinschaft zu leben. Bei der destruktiven Natur des Juden wird die Erziehungsarbeit nur unnötigerweise gehemmt." (Adler, S. 109)

07.02.1939

Rede von Reichsleiter Alfred Rosenberg vor auswärtigen Diplomaten und Vertretern der Auslandspresse

Die Judenfrage in Deutschland werde erst dann gelöst sein, "wenn der letzte Jude das Territorium des Deutschen Reiches verlassen habe. (...) Damit ist die Frage einer entscheidenden Auswanderung wieder zu einem weltpolitischen Problem aktuellster Art geworden."

Der von der Evian-Flüchtlingskonferenz eingesetzte Ausschuß habe bisher keinerlei wirklich positive Vorschläge gemacht.

Palästina komme für eine umfangreiche jüdische Einwanderung nicht in Frage. "Bereits die heutige Zahl der Juden hat zu einem arabischen Freiheitsaufstand geführt und hat gezeigt, daß dank der jüdischen Ansprüche England zu keinem Übereinkommen mit den Arabern kommen kann. Der sogenannte zionistische Staat, der erstrebt wird, hat ja gar nicht zum Ziele, das jüdische Volk in Palästina unterzubringen, sondern nur ein alljüdisches Machtzentrum im nahen Osten zu schaffen."

"Da also auch Palästina als eine Lösung für eine wirklich kompakte Siedlung der Judenheit nicht in Frage kommt und eine zerstreute Auswanderung das Problem nicht nur nicht löst, sondern rassisch und politisch Gefahren schlimmster Art für Europa und andere Länder heraufbeschwört, so bleibt eben als einzige Frage zu lösen übrig, ob und welches in sich abgeschlossene große Territorium die Demokratien bereitstellen wollen, um die Juden als Gesamtheit anzusiedeln. Dieses Territorium müßte vorsehen eine Kapazität von rund 15 Millionen Juden. Zu diesem Zweck müßten die jüdischen Millionäre und Milliardäre aus aller Welt etwa dem Büro der Eviankonferenz in London ihre Mittel zur Verfügung stellen (...). Welches Territorium dann in Frage kommen könnte, darüber müßten naturgemäß die Besitzer dieser teilweise menschenleeren Gebiete selbst entscheiden." - Letzten Ende verenge sich dieses Problem auf die Alternative Guayana (Südamerika) oder Madagaskar. "Wenn die Demokratien nunmehr die Wahrheit ihrer Judenfreundlichkeit unter Beweis stellen wollen, so müßten sie in absehbarer Zeit sich darüber klar werden, welches von diesen Territorien nunmehr als jüdisches Reservat eingerichtet werden soll." (VB, 8.2.39)    

09.02.1939

Italien

Ein Gesetz beschränkt die wirtschaftlichen Aktivitäten der Juden.

Bulgarien

6.000 Juden fremder Staatsangehörigkeit werden mit einer Frist von 14 Tagen aus Bulgarien ausgewiesen. - Juden dürfen nicht mehr als Lieferanten für die Armee tätig sein. (AdG, S. 3935)

10.02.1939

USA/Großbritannien

Ein Angebot der Vereinigten Staaten, eine Untersuchungskommission nach British-Guayana zum Studium der Ansiedlung jüdischer Flüchtlinge zu schicken, wurde von der britischen Regierung angenommen, die der Kommission eigene Kolonialfachleute beigeben wird. (AdG, S. 3937)

11.02.1939

Erste Arbeitsbesprechung des Ausschusses der Reichszentrale für die jüdische Auswanderung

Heydrich erklärt zum Rublee-Schacht-Plan (s. 16.1.39): Da dessen Durchführung bisher keineswegs gesichert sei, müsse man "auch weiterhin ohne Rücksicht auf diesen Plan die Auswanderung mit allen sonst zur Verfügung stehenden Mitteln fördern. In erster Linie seien hierzu die Juden selbst heranzuziehen, die auf Grund ihrer internationalen Verflechtungen am leichtesten noch Möglichkeiten zur Einreise in fremde Länder und Beschaffung der hierfür notwendigen Devisen hätten."  - Erforderlich sei dazu eine Sondergenehmigung des Reichswirtschaftsministeriums für die Verteilung der auf diese Weise hereinkommmenden Devisen.

Eine besondere Aufgabe sei die Förderung der Auswanderung minderbemittelter Juden. Zu diesem Zweck müßten die bisher von verschiedenen Stellen gebildeten Fonds einheitlich zusammengefaßt werden. Heydrich "hob besonders die von dem Polizeipräsidenten in Berlin erhobene Sonderabgabe von reichen Juden hervor".

Alle Juden sollen in der Reichsvereinigung zusammengefaßt werden, der man die Organisierung der Auswanderung sowie das gesamte jüdische Schulwesen und Fürsorgewesen übertragen wolle. Über die Reichsvereinigung könne man auch Kontakt zu ausländischen jüdischen Organisationen aufnehmen.

Nach dem Vorbild der Zentralstelle für die jüdische Auswanderung in Wien sollen solche Stellen auch in anderen Großstädten - Berlin, Breslau, Frankfurt/Main und Hamburg - geschaffen werden.

Zur Frage der illegalen Auswanderung nach Palästina führt Heydrich  aus, "daß an sich zwar grundsätzlich gegen jede illegale Auswanderung Stellung genommen werden müßte. Bei Palästina lägen die Dinge jedoch so, daß dorthin bereits z.Zt. aus vielen anderen europäischen Ländern, die selbst nur Durchgangsländer wären, illegale Transporte gingen, und unter diesen Umständen auch von Deutschland, allerdings ohne jede amtliche Beteiligung, diese Gelegenheit wahrgenommen werden könnte." - Nach Informationen aus London wäre Palästina noch aufnahmefähig für etwa 800.000 bis 1 Million Juden. (ADAP, Serie D, Bd.V, Nr. 665).

13.02.1939

Niederlande

Für Flüchtlinge aus Deutschland wird ein Lager in Westerbork errichtet.

Nach der Besetzung der Niederlande durch die Wehrmacht 1940 wurde Westerbork als deutsches Konzentrationslager und Zwischenlager für die Deportation der Juden aus den Niederlanden "nach Osten" fortgeführt.

14.02.1939

Rublee, Verhandlungsführer für das Evian-Komitee, erklärt in London seinen Rücktritt. Sein Nachfolger wird Sir Herbert Emerson, der gleichzeitig Völkerbundkommissar für Flüchtlinge aus Deutschland ist.

18.02.1939

Bericht des deutschen Gesandten in London an das Auswärtige Amt zum Stand der Verhandlungen mit dem Evian-Komitee

Rublee habe über die Gespräche berichtet, die er vor kurzem in Berlin führte, insbesondere über Seine Unterredungen mit Göring und Wohlthat. Rublee sei von dem Gespräch mit Göring "tief beeindruckt" gewesen und habe die Überzeugung geäußert, daß Deutschland das jüdische Flüchtlingsproblem methodisch lösen wolle. Die Gespräche mit Wohlthat hätten eine tragfähige Grundlage für die Lösung des Problems ergeben.

Die Dominikanische Republik habe sich bereit erklärt, 100.000 Juden aufzunehmen, um ihre Wirtschaft zu stärken (Aufbau kleinerer Industrien durch Juden). US-Präsident Roosevelt habe bereits eine Kommission zur Untersuchung der dortigen Aufnahmebedingungen geschickt.

"Man scheint in der Evian-Kommission mit einem positiven Fortgang der Verhandlungen zu rechnen. England und Amerika sollen den deutschen Gedankengängen positiv gegenüberstehen. Die Reaktion aus Washington sei sogar ausgesprochen gut." (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 666)   

20.02.1939

Italien

Die Satzung der Faschistischen Partei wird geändert; Personen "jüdischer Rasse" dürfen der Partei nicht mehr angehören.

21.02.1939

Dritte Anordnung auf Grund der VO über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938

Alle Juden müssen die in ihrem Eigentum befindlichen Gegenstände aus Gold, Platin oder Silber (außer Eheringen) sowie Edelsteinen und Perlen binnen zwei Wochen an die vom Reich eingerichteten öffentlichen Ankaufstellen abliefern. Die Ablieferung erfolgt gegen Entschädigung. Nähere Bestimmungen über die Bewertung der abgelieferten Gegenstände und die Auszahlung der Entschädigung trifft der Reichswirtschaftsminister. (RGBl I, S. 282; AdG, S. 3950)

Tschechoslowakei: Rede des Ministerpräsidenten des autonomen Landesteils Slowakien, Tiso

Bei der "Lösung der Judenfrage" dürfe nur das Interesse des slowakischen Volkes ausschlaggebend sein. Die Auswanderung der Juden werde von seiner Regierung unterstützt. Überall, wo Juden in größerer Zahl leben, sollen an den Staatsschulen jüdische Klasse eingerichtet werden. (AdG, S. 3950)

22.02.1939

Vertrauliche Anordnung des Reichsverkehrsministeriums

Führerscheine und Kraftfahrzeugscheine, die für Juden ausgestellt sind, sind sofort einzuziehen. Von der Einziehung ist abzusehen bei Juden ausländischer Staatsangehörigkeit sowie in Fällen, in denen die Einziehung gesamtwirtschaftliche Interessen schädigen würde und bei Beschädigten, die auf die Benutzung eines Fahrzeugs angewiesen sind. (Walk, S. 283)

Ungarn

Antrittsrede des neuen Ministerpräsidenten Teleki:
Man solle nicht glauben, daß das Judengesetz nach deutschem oder irgendeinem anderen Vorbild oder unter äußerem Druck entstanden wäre. Es sei aber natürlich, daß sich in der öffentlichen Meinung Spuren der Ereignisse im Westen bemerkbar machen. In Ungarn sei der jüdische Bevölkerungsanteil sechsmal größer als in den westeuropäischen Ländern, aber man habe die in großer Zahl einwandernden "Ostjuden" nach westlichen Methoden behandelt. Darauf sei es zurückzuführen, daß in Ungarn die Erbitterung immer größer und viel stärker als in den westlichen Staaten geworden sei und daß eine Gefahr für die Eigenart und die Charakterzüge der ungarischen Nation entstanden sei. Die Bestimmungen der Judenvorlage könnten daher kaum gemildert werden. (AdG, S. 3954)

25.02.1939

Geheimerlaß Himmlers

Es müssen alle Anstrengungen gemacht werden, um die Auswanderung von Juden zu fördern.

a) Um die Auswanderung bedürftiger Juden zu ermöglichen, ist eine Auswanderungssteuer von wohlhabenden jüdischen Auswanderern zu erheben. Zur Zeit ist die Einziehung der Steuer den jüdischen Kultusvereinigungen (Gemeinden) auferlegt. Mit der Errichtung der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland wird ihr die Eintreibung der Steuer übertragen.

b) Die Aushändigung der Pässe ist zurückzustellen, bis der Auswanderungswillige eine Bestätigung beibringt, daß er die Steuer und Seine sonstigen Schulden bei der Reichsvereinigung gezahlt hat. (Walk, S. 284)

28.02.1939

Im Reichsinnenministerium findet eine Besprechung statt, "wie die Dienstleistung der Juden im Kriegsfalle zu regeln sei"

"Ministerialrat Dr. Loesener führte aus, daß die Juden kolonnenmäßig, getrennt von den deutschblütigen Arbeitskräften zu beschäftigen sind. Sie dürften sich in erster Linie für eine Verwendung bei Straßenbauten und Beschaffung des hierfür erforderlichen Materials (Steinbrucharbeiten) eignen. Infolge des großzügigen Straßenbauprogrammes des Führers und der besonderen Inanspruchnahme des gesamten Straßennetzes im Kriege ist an eine Beschäftigung sämtlicher arbeitsfähiger Juden mit dieser Art von Arbeiten zu denken."

Es wurde entschieden, dafür nur wehrtaugliche Männer zwischen 18 und 55 Jahren heranzuziehen. (Aly/Heym, Vordenker, S. 41)


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