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Anfang April 1940

Generalgouvernement

Das von Anfang an nicht ernsthaft betriebene Projekt eines "Judenreservats" im Distrikt Lublin wird definitiv aufgegeben.
Die Gestapo schickt die letzten noch Festgehaltenen der im Herbst 1940 deportierten Juden - 460 Männer aus Mähren und 152 aus Wien - nach Hause zurück, macht ihnen allerdings die Auflage, möglichst schnell Deutschland als Auswanderer zu verlassen.

01.04.1940

Wartheland

In Berlin findet eine Besprechung zwischen den interessierten Ministerien und Behörden über die geplante Bildung eines Ghettos in Lodz statt. Es wird der vorläufige Charakter des Ghettos betont, weil insbesondere der Gauleiter im Wartheland, Greiser, darauf hofft, große Teile der jüdischen Bevölkerung in absehbarer Zeit ins Generalgouvernement abschieben zu können.
Da Göring am 23. März bis auf weiteres alle "Deportationen" in das Generalgouvernement untersagt hat, soll Seine Entscheidung eingeholt werden, daß sich sein Erlaß nicht auf Lodz bezieht.

05.04.1940

Generalgouvernement

Dienstbesprechung in Krakau.
Frank klagt erneut über die außerordentlich starke Belastung des Generalgouvernements durch die "Umsiedlungen". Das GG werde sofort 120.000 Polen aus dem Reich, 35.000 Zigeuner und ab 1. August 1940 etwa 450.000 Juden aufnehmen müssen; dazu kämen noch 60.000 Polen aus der UdSSR. (Im Rahmen eines deutsch-sowjetischen Flüchtlingsaustausches)

Wenn man dazu noch die mit der Anlage von Truppenübungsgeländen verbundenen Umsiedlungen rechne, so ergebe sich eine Zahl von etwa 750.000 Menschen, die in das Generalgouvernement hineinströmten. "Es werde sich also darum handeln, ob man nicht in dieser ganzen Umsiedlungsfrage nunmehr einen zentralen Vorstoß unternehmen solle." (Präg, S. 158)

08.04.1940

Erlaß des Oberkommandos der Wehrmacht

  1. Mischlinge ersten Grades und Ehemänner von Jüdinnen oder Mischlingen ersten Grades werden aus der Wehrmacht entlassen.
  2. Mischlinge zweiten Grades und Ehemänner von Mischlingen zweiten Grades können in der Wehrmacht verbleiben, aber keine Befehlsgewalt ausüben.

Nur der Führer persönlich kann hier Ausnahmen bestätigen. (Walk, S. 319)

10.04.1940

Fernschreiben des RSHA an alle Stapoleit- und Stapostellen

Himmler hat für alle in Konzentrationslagern eingesperrten jüdischen Häftlinge "für die Dauer des Krieges" eine allgemeine Entlassungssperre angeordnet. "Er hat jedoch gleichzeitig mitgeteilt, daß er der Entlassung von Juden, deren Auswanderung bereits vorbereitet ist und die in Kürze auswandern können, zustimmt, sofern politische und andere Bedenken nicht bestehen." (Walk, S. 319)

12.04.1940

Generalgouvernement

Abteilungsleitersitzung in Krakau.
Frank führt aus: Für die völlige Eindeutschung der annektierten ehem. westpolnischen Gebiete habe Hitler einen Zeitraum von zehn Jahren bestimmt. "In diesem Zeitraum solle nun alles getan werden, um vor allem den Warthegau, der sehr gefährdet sei, zur deutschen Volksgemeinschaft emporzuentwickeln. Ursprünglich sei man der Meinung gewesen, das sei dadurch möglich, daß man die Polen einfach in das Generalgouvernement  abschiebe. Allmählich habe man eingesehen, daß das nicht möglich sei, das GG habe sich die zentrale Einstellung des Reiches nicht gefallen lassen. Man werde sich aber im GG daran gewöhnen müssen, daß entsprechend der Zunahme der Deutschen im Warthegau und in Westpreußen zunächst auf Jahre hinaus die polnische, jüdische, Zigeuner- und sonstige Bevölkerung im GG eine Heimstätte finde. Es wäre also sinnlos, ja es würde geradezu gegen die Politik des Führers verstoßen, wollte man im GG Deutschtumspolitik in dem Sinne treiben, wie es etwa im Warthegau notwendig sei. Die Politik im Sinne einer restlosen Eindeutschung könne für das GG erst dann beginnen, wenn der Warthegau, Westpreußen, Danzig und Oberschlesien in dem durch den Führerbefehl bezeichneten Sinne deutsch geworden seien."

Es sei vollkommen unerträglich, daß deutsche Militärs, Beamte usw. in seiner Hauptstadt Krakau in Häusern leben müßten, wo noch Juden wohnen. Das schade auch der Autorität des Reiches. Er wolle die Stadt daher möglichst schon bis zum 1. November 1940 "judenfrei" machen. In Krakau sollten nur noch 5.-10.000 als Handwerker dringend benötigte Juden bleiben, während die übrige jüdische Bevölkerung auf das Gebiet des Generalgouvernements verteilt werden solle. "Die Stadt Krakau müsse die judenreinste Stadt des Generalgouvernements werden. Nur so habe es einen Sinn, sie als deutsche Hauptstadt aufzubauen." (Präg, S. 165-167; IMT; PS-2233)

13.04.1940

Juden werden aus der privaten Krankenversicherung ausgeschlossen. (Walk, S. 319)

23.04.1940

Generalgouvernement

Arbeitssitzung in Anwesenheit des Staatssekretär Backe vom Reichsministerium für Landwirtschaft und Ernährung.

Backe spricht über die verschiedenartige Behandlung der Bevölkerungsgruppen bei der Versorgung mit Lebensmitteln. "Die Juden interessieren mich überhaupt nicht. Ob die etwas zu futtern haben oder nicht, ist für mich die allerletzte Frage. Die zweite Kategorie sind die Polen an sich, soweit ich sie nicht gebrauchen kann. Diese Polen werde ich so ernähren, daß an sie dasjenige, was übrig bleibt und was wir zur Verfügung haben, verteilt wird. Im übrigen verweise ich die Polen auf ihre Selbsthilfe und sage ihnen: den Krieg haben wir nicht verschuldet. Die Polen interessieren mich nur insofern, als ich in ihnen ein Reservoir von Arbeitskräften sehe."

"Einigermaßen gut" versorgt werden sollen zum einen die Ukrainer (um sie politisch gegen die Polen auszuspielen), sowie Polen, von denen das Reich einen Nutzen habe, insbesondere Beamte, Angestellte der Betriebe, der Polizei, Eisenbahn, außerdem die Landarbeitern und die für die deutsche Kriegsindustrie arbeitenden Polen. - "Das Gros des polnischen Volkes wird dann immer noch wesentlich besser behandelt als die Juden. Für die Juden haben wir gar kein Interesse." (Präg, S. 186-188)

24.04.1940

Erlaß der Staatspolizeileitstelle Düsseldorf auf Grundlage einer Anweisung des RSHA

Betr. Richtlinien für die Judenauswanderung.

Die Auswanderung von Juden aus dem Reichsgebiet soll auch während des Krieges verstärkt betrieben werden. Doch sollen wehr- und arbeitseinsatzfähige Juden nach Möglichkeit nicht in das europäische Ausland, keinesfalls aber in die europäischen Feindstaaten auswandern dürfen. In "Mischehe" lebende Juden sollen auf keinen Fall zur Auswanderung gedrängt werden.

Eine betonte Ausweitung der (illegal organisierten) Auswanderung nach Palästina sei aus außenpolitischen Gründen unerwünscht. Männlichen Juden mittleren Alters soll eine Ausreise nach Palästina überhaupt nicht gestattet werden. Jeder Fall bedarf der Genehmigung Eichmanns.

"Für die in den Konzentrationslagern einsitzenden Juden polnischer bzw. ehemals polnischer Staatsangehörigkeit kommt eine Auswanderung vorerst nicht in Frage. Jüdischen Frauen und Kindern, über 60 Jahre alten männlichen Juden, Krüppeln usw., die die polnische Staatsangehörigkeit besessen haben, kann die Auswanderung gestattet werden." (Adler, S. 145)

27.04.1940

Heydrich ordnet an, 2.500 Zigeuner aus dem Reich in das  Generalgouvernement abzuschieben.

Auschwitz

Himmler gibt auf Grund der vorliegende Berichte dem Inspekteur der Konzentrationslager, Glücks, den Befehl, in den Artilleriekasernen in Auschwitz ein Konzentrationslager einzurichten und es durch Häftlinge ausbauen zu lassen.
Höss kommt als künftiger Lagerkommandant am 30. April in Auschwitz an, um den Aufbau des Konzentrationslagers zu überwachen. Im Mai erreicht Höß beim Bürgermeister der Stadt Auschwitz, daß ihm 300 Juden für Aufräumungsarbeiten zur Verfügung gestellt werden. (Czech, S. 30-31)

29.04.1940

Die Registrierung aller Juden in Österreich wird angeordnet.

30.04.1940

Wartheland

Eine am 8. April verkündete Verordnung des Polizeipräsidenten von Lodz tritt in Kraft. Sie verbietet allen Bewohnern das Verlassen des Ghettos, bei Androhung der Todesstrafe. Die Deutschen befehlen dem  Judenrat, sofort Meldestellen einzurichten, in denen alle Bewohner listenmäßig erfaßt werden sollen. Der Judenrat soll mit Hilfe des jüdischen Ordnungsdienstes alle Ghetto-Angelegenheiten, insbesondere die Zwangsarbeit, im Sinn der Deutschen organisieren. Er hat die Aufgabe, die als beschlagnahmt geltenden jüdischen Vermögenswerte - "soweit sie nicht zur unmittelbaren Lebensnotwendigkeit gehören" - zu erfassen und für die Deutschen sicherzustellen.

Im Ghetto von Lodz, das anfangs 160.000 Bewohner hatte, starben vom 1. Mai 1940 bis 30. Juni 1942 annähernd 30.000 Menschen.

WELTKRIEGSEREIGNISSE

09.04.40

Beginn des deutschen Angriffs auf Dänemark und Norwegen. Beide Länder werden von der Wehrmacht besetzt.

In Dänemark lebten vor dem deutschen Einmarsch etwa 7.500 Juden, darunter 1.500 Flüchtlinge aus Deutschland. In Notwegen gab es 1.800 Juden, von denen 300 Flüchtlinge waren.

Die Deutschen lassen in Dänemark die Monarchie und weitgehend auch die parlamentarische Verfassung unangetastet. In Kopenhagen regiert eine breite Koalition aus Sozialdemokraten, Konservativen, Liberalkonservativen und zwei kleineren liberalen Parteien. Dänemark tritt zwar unter starkem deutschen Druck am 25.11.41 dem Antikominternpakt bei, bleibt aber innenpolitisch vorerst weitgehend von einer Übertragung der in anderen Ländern praktizierten deutschen Besatzungspolitik verschont. Auch in der "Judenfrage" verhalten sich die Deutschen zunächst zurückhaltend nach dem Grundsatz, jede unnötige innenpolitische Beunruhigung in Dänemark zu vermeiden.


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